Erdbeben vor Italien: Fremder Kontinent schiebt sich unter Europa – und lässt ein Meer verschwinden Von: Johannes Welte Drucken Teilen Die Liparischen Inseln gehören zu den Geheimtipps für Italien-Urlauber. Hier bebte jetzt die Erde. © IMAGO/imageBROKER/Sonja Jordan Vor der Küste Siziliens gab es ein Erdbeben in großer Tiefe. Ursache ist eine kontinentale Entwicklung, die eines Tages das Mittelmeer verschwinden lassen wird. Messina – Das Tyrrhenische Meer zwischen den Ferieninseln Sizilien, Sardinien und Korsika sowie dem italienischen Festland ist ein wahres Urlaubsparadies, in dem sich noch viele kleine Inseln verstecken, die noch nicht so sehr von Touristen überlaufen sind und somit ein ideales Ziel für einen Italien-Urlaub darstellen. Allerdings ist dieser Teil des Mittelmeeres geologisch sehr aktiv. Beben in sehr großer Tiefe schreckt die Menschen im Süden Italiens auf Davon zeugen zahlreiche Vulkane wie der Ätna auf Sizilien oder der Stromboli und die vielen Erdbeben, die sich nicht nur an seinem Ostufer in den Phlegräischen Feldern bei Neapel ereignen. Am Montag (28. April) ereignete sich um 21.39 Uhr im südlichen Tyrrhenischen Meer ein besonderes Beben. Die Seismographen registrierten einen Erdstoß der Stärke 3,6 mit Epizentrum auf See zwischen der Küste Kalabriens und den Äolischen Inseln in einer Tiefe von sage und schreibe 169 Kilometern. Zum Vergleich: In den Phlegräischen Feldern bei Neapel bebt die Erde vor allem in Tiefen von bis zu drei Kilometern unter dem dortigen Supervulkan. Nahe Istanbul ereignete sich der jüngste Erdstoß in knapp sieben Kilometern Tiefe. Da sich das Erdbeben vor Sizilien in so großer Tiefe und auf offener See ereignete, gab es keinerlei Schäden. Trotz der beträchtlichen Tiefe des Hypozentrums war das Erdbeben laut Calabria7 an mehreren Orten im Süden Kalabriens und im Nordosten Siziliens deutlich zu spüren, insbesondere in den Provinzen Reggio Calabria und Messina. In den sozialen Medien gingen zahlreiche Berichte von Bürgern ein, die vor allem in den oberen Stockwerken der Gebäude ein leichtes Beben verspürten. Beben zeichnen eine Linie, die eine verblüffende geologische Theorie beweist Im unteren Tyrrhenischen Meer treten zwischen Sizilien und Kalabrien die Erdbeben oft in Tiefen unterhalb von 100 Kilometern und manchmal sogar in bis zu 500 Kilometern auf. „Wie sonst nirgendwo in Italien“, wie meteoweb.eu berichtet. In manchen Fällen hätten diese Erdbeben beträchtliche Ausmaße. In den letzten Jahren gab es zwei mit einer Magnitude von über 5, und in der Vergangenheit, genauer gesagt im Jahr 1938, gab es sogar ein Ereignis mit einer Magnitude von 7,1. „Eines der stärksten in Italien“, wie meteoweb.eu weiter berichtet. Die Hypozentren in der Tiefe sind nicht verstreut, sondern konzentrieren sich und bilden eine Linie, die als „Wadati-Benioff-Zone“ bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um eine geneigte Ebene, die der ozeanischen Kruste der ionische Platte folgt, die hier unter die Kontinentalplatte Europas geschoben wird. Ein Schema der Wadati-Benioff-Zone © Wikipedia Commons Der Name geht auf die Entdecker Hugo Benioff (1899-1968) vom California Institute of Technology und Kiyoo Wadati (1902-1995) von der Japan Meteorological Agency zurück, zwei Seismologen, die diese Ebene identifizieren konnten. Dem liegt die Theorie der Plattentektonik zugrunde, die der deutsche Wissenschaftler Alfed Wegener (1880-1930) in seinem 1915 erschienenen Buch Die Entstehung der Kontinente und Ozeane entwickelte. Ihm war aufgefallen, dass die Kontinente wie Puzzlestücke zueinander passten, am besten ist das zwischen Amerika und Europa bzw. Afrika zu beobachten. Die Theorie wurde aber erst bis in die 1960er Jahre u.a. durch Benioff und Wadati durch geophysikalische Methoden bewiesen. Die Bewegung der Kontinente und des Meeresbodens verursacht die Beben und gebiert Vulkane Die Grundidee: Auf der zähflüssigen unteren Erdschicht, der Asthenosphäre, „schwimmen“ die Kontinentalplatten, zwischen denen sich die ozeanischen Platten befinden. Die verschiedenen Platten stoßen aneinander, schieben sich unter- oder übereinander und bilden durch die Kollision Gebirge. Da sich die Platten oft verhaken, entstehen Spannungen, die sich häufig in Erdbeben entladen. Diese schematische Zeichnung zeigt die tektonischen Bewegungen im Süden Italiens. © Gianfilippo De Astis/INGV Im Fall des Tyrrhenischen Meeres wird die Ionische Platte von der Afrikanischen Platte unter Kalabrien geschoben und taucht dabei in großer Tiefe nach Nordwesten bis unter das Tyrrhenische Meer ab. Dabei kommt es zu Ruckbewegungen in großer Tiefe. Außerdem wird hier die ozeanische Kruste aufgeschmolzen, das Magma steigt in Vulkanen wie denen der Liparischen Inseln wie Stromboli oder Vulcano auf. In einigen Millionen Jahren wird das Mittelmeer völlig verschwunden sein Die Bewegung der afrikanischen Platte auf die eurasische Platte setzt sich weiter fort und wird in Millionen von Jahren eine drastische Auswirkung haben: „Die langsame Annäherung dieser beiden Platten setzt sich bis heute fort, mit einer Geschwindigkeit von wenigen Millimetern pro Jahr, könnte ⁤aber⁤ langfristig zur vollständigen Schließung des Mittelmeers führen“, berichtet meteogiornale.it. Schon seit 100 Millionen Jahren bewegt sich Afrika auf Europa zu und hat somit den einst viel größeren Ozean der Tethys vom heutigen Indischen Ozean abgetrennt und so das Mittelmeer als Rest der Tethys entstehen lassen. Von alldem spüren die Touristen meist bei ihrem Italien-Urlaub nichts – wenn nicht gerade der Boden wackelt. Das Meer rund um Sizilien wird häufig durchgeschüttelt: Im Mai bebte es südöstlich der Insel, gleichzeitig spuckte der Ätna Lava. Ein Beben im Februar ereignete sich nahe dem jüngsten Erdstoß ebenfalls in sehr großer Tiefe. Anfang Februar wackelte die Erde weiter westlich in viel geringerer Tiefe.