Seit 100 Jahren ein Teil von Tölz: Jubiläum im „Bräustüberl“ Von: Andreas Steppan Drucken Teilen Den Neustart im frisch sanierten „Bräustüberl“ wagten 2022 (v. re.) Wirt Tom Kriegenherdt, Betriebsleiterin Verena Angermaier und Küchenchef Tobias Neumann. © Arndt Pröhl Wenn am 1. Mai vor dem „Tölzer Bräustüberl“ ein Maibaum aufgestellt wird, können die Gäste dort gleichzeitig auf ein besonderes Jubiläum anstoßen. Die traditionsreiche Gaststätte feiert dann ihren 100. Geburtstag. Ihre Mauern haben schon viele illustre Gäste und so manch ungewöhnliche Nutzung gesehen. Bad Tölz - 1925 war es die Tölzer Aktienbrauerei, die das „Bräustüberl“ am oberen Ende der Salzstraße errichtete. Ob dort nun tatsächlich am 1. Mai Eröffnung gefeiert wurde, „das ist leider nicht mit 100-prozentiger Sicherheit überliefert“, räumt Michael Gascha, einer der heutigen Hauseigentümer, ein. Die Aktienbrauerei war 1921 aus einer Fusion von Klammer- und Bruckbräu hervorgegangen. Sie befand sich neben dem heutigen „Bräustüberl“ gegenüber der Mühlfeldkirche. Der Tölzer Anton Höfter sicherte sich die Mehrheitsrechte und verkaufte 1928 an „Löwenbräu“ weiter, während er selbst in jenem Jahr die Aktienmehrheit der Jod AG erwarb. Die Münchner Großbrauerei wiederum schloss die Aktienbrauerei kurz nach dem Erwerb. Das Backsteingebäude der Brauerei wurde 1984 abgerissen. Die Gaststätte aber blieb bestehen. Früher auch mal ein Trausaal Und die hatte im Lauf der Jahrzehnte die unterschiedlichsten Funktionen zu erfüllen. In den 1930er-Jahren seien dort im Obergeschoss Ehen geschlossen worden. „Es wurde als Trausaal geweiht“, berichtet Michael Gascha aus der Chronik. Während des Zweiten Weltkriegs fand im Salettl Schulunterricht statt. „Bei Bombenalarm wurden die Kinder in den Eiskeller evakuiert“, so Gascha. Gut verborgen sind heute Hinweise auf die Vereinnahmung des „Bräustüberls“ durch die Nazis. Eine aus jener Zeit stammende Deckenverkleidung, „verziert“ durch diverse NS-Insignien, habe man bei der jüngsten Sanierung zwar als Zeitzeugnis erhalten, aber unter einer Verschalung verschwinden lassen müssen. So habe es der Denkmalschutz gewollt, berichtet Gascha. (Übrigens: Alles aus der Region gibt's jetzt auch in unserem regelmäßigen Bad-Tölz-Newsletter.) Über die Jahre seien auch viele „Großkopferte“, die durch Bad Tölz kamen, hier eingekehrt. „Dafür war die Lage an der Salzstraße ideal“, sagt Gascha. Überliefert ist, dass Erich Mende, damals FDP-Vizekanzler unter Ludwig Erhard (CDU), 1966 zum Weißwurstfrühstück ins „Bräustüberl“ kam. Und 1983 stellte der Gaißacher Johann Fischer hier den Bayernrekord im Maßkrugstemmen auf. Die „Mühlfeldler Gmoa“ – hier ein Bild von den Gründern im Jahr 1951 – findet bis heute im „Tölzer Bräustüberl“ seine Heimat und nennt es „Rathaus“. © A Geselligkeit und Gemeinschaftsgefühl Eine wichtige soziale Funktion erfüllte das „Bräustüberl“ als Heimstatt der „Mühlfeldler Gmoa“, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg als eine von damals vier Tölzer „Stadtteil-Gemeinden“ gründete. In diesen Gemeinschaften unterstützten sich Handwerker und Geschäftsleute, man sprang sich in Notfällen bei, pflegte aber auch Geselligkeit und Gemeinschaftsgefühl. Daran knüpft die „Mühlfeldler Gmoa“ bis heute an, zum Beispiel, indem sie heuer wieder einen Maibaum aufstellt. Einen Einschnitt für die Gemeinschaft bildete das Jahr 2020, als Heidi Königbauer nach 40 Jahren als „Bräu㈠stüberl“-Wirtin in den Ruhestand ging. Eigentümer Jobst Kayser-Eichberg, ehemaliger Chef der Spaten-Franziskaner-Brauerei, bot das Gebäude zum Verkauf an. Zum Kauf schlossen sich vier Investoren aus dem Isarwinkel zusammen: die Lenggrieser Brüder Peter und Michael Gascha, Hans Besch und Sybille Steininger, heute Klier. Ihnen sei es damals ein Anliegen gewesen, die alte Wirtschaft zu erhalten, sagt Michael Gascha. Neue Eigentümer vor vielen Hürden „Wir wussten allerdings nicht, dass wir so viel Hürden nehmen müssten“, ergänzt er. Die Auflagen des Denkmalschutzes, vor allem aber die Corona-Krise hätten das ganze Projekt deutlich langwieriger und teurer gemacht. Von den drei Stadthäusern, die die Investoren zur Finanzierung der „Bräustüberl“-Sanierung am Standort früherer Brauerei-Lagerstadl errichteten, sei erst kürzlich das letzte verkauft worden. Mit dem Ergebnis der „Bräustüberl“-Sanierung sei er aber hochzufrieden, sagt Michael Gascha. Fürs Bauliche seien vor allem sein Bruder Peter und Hans Besch zuständig gewesen. „Sie haben sich richtig reingekniet und tolle Arbeit geleistet.“ Nicht zuletzt habe man in Tom Kriegenherdt einen „sehr guten Wirt gefunden“. Mit ihm wurde am 1. Mai 2022 Wiedereröffnung gefeiert. „Schönes gastronomisches Dreieck“ heutzutage Der Gastronom seinerseits sieht gerade in der Mischung aus Altbestand und Modernisierung den Charme des heutigen „Bräustüberls“. Mit der Umgestaltung des Vorplatzes und der Schaffung von Parkplätzen habe auch die Stadt einen großen Beitrag geleistet, diese Ecke von Bad Tölz aufzuwerten. Gemeinsam mit den Restaurants Milano und A‘mare habe sich hier ein schönes gastronomisches Dreieck gebildet, sagt Kriegenherdt.