Wer an Apples Programmierwettbewerb für Nachwuchsentwickler, der Swift Student Challenge teilnimmt, lernt rasch, dass es auf Brillanz in verschiedenen Disziplinen ankommt: Die Kenntnis und der richtige Gebrauch der Programmiersprache Swift sind natürlich das eine. Eine zündende Idee für eine App mit Nutzwert und ein Gespür für gutes User-Interface-Design sind noch einmal ganz andere Herausforderungen. Und wer am Ende als Sieger hervorgeht, ist zwar nicht dazu in der Pflicht, wird aber dazu eingeladen, sich und seine App in der Öffentlichkeit darzustellen, lernt also auch etwas in Sachen Marketing dazu. Kurzum: Es sind Multitalente gefragt. Anzeige Carl Seifert gehört bei der Swift Student Challenge zu 50 Gewinnern weltweit, die nach Cupertino eingeladen werden (Bild: Carl Seifert) Unter den 350 weltweiten Gewinnern in diesem Jahr sind auch wieder mehrere Schüler und Studenten aus Deutschland dabei, darunter Jan Steinhauer aus Würzburg. 50 Teilnehmer weltweit, darunter Carl Seifert aus Dresden, wurden sogar als Distinguished Winner ausgewählt – sie erhalten nicht nur Sachpreise und für ein Jahr einen kostenlosen Developer Account, sondern werden von Apple überdies zur Entwicklerkonferenz WWDC nach Cupertino eingeladen. Im Gespräch mit heise online beantworteten die beiden Fragen zu ihren Apps, zu ihrer Motivation und wie sie zum Programmieren gekommen sind. Der Einstieg in die Programmierung Bei Jan Steinhauer (22) war es ein YouTube-Video des Influencers AlexiBexi über die WWDC 2017, das ihn nachhaltig beeindruckte und zum Programmieren brachte. "Ich fand das einfach so krass zu sehen, dass Leute wie du und ich, die keine zehn Jahre Programmiererfahrung haben, direkt schon so coole Sachen machen konnten", erinnert er sich. Die Begeisterung war so groß, dass der damalige Teenager noch in derselben Nacht mit dem iPad seines Vaters und der Swift Playgrounds-App seine ersten Zeilen Code schrieb. Und als er nach nur wenigen Stunden seine erste kleine App ausprobierte, konnte er nicht mehr aufhören, erinnert er sich. Bild 1 von 3 DyLexAid – die Gewinner-App von Jan Steinhauer (3 Bilder) Mit seiner App DyLexAid gewann Jan Steinhauer bei der diesjährigen Swift Student Challenge (Bild: Jan Steinhauer ) Bei Carl Seifert (22) war der Einstieg pragmatischer: Mit 14 Jahren wollte er die Weihnachtsbeleuchtung zu Hause automatisieren. "Es ist schon faszinierend, wenn man da irgendwie ein paar Zeichen in den Computer eingibt und am Ende macht der Computer genau das, was man ihm gesagt hat," beschreibt Seifert seinen ersten Berührungspunkt mit der Programmierung. "Das sind sind schon Schlüsselerfahrungen, die einen dazu motivieren, weiterzumachen." Swift: Mehr als nur eine Programmiersprache Beide Entwickler sprechen mit Begeisterung von Swift, der Programmiersprache, die Apple 2014 eingeführt hat. Für Steinhauer ist Swift sogar "wie ein kleiner Bruder", mit dem er gemeinsam aufgewachsen ist. "Ich finde, Swift ist eine der Sprachen, wo man klein anfangen, aber auch massig expandieren kann. Swift ist für mich eine Sprache, in der ich mich kreativ komplett ausleben kann." Anzeige Carl Seifert beeindruckt besonders die Vielseitigkeit: "Man kann mit Swift so viel machen. Der Quellcode ist offen und frei verfügbar. Swift unterstützt eine Palette von Betriebssystemen. Es sind nicht nur Macs, die unterstützt werden." Besonders hebt er hervor, dass Swift inzwischen auch auf Mikrocontrollern eingesetzt werden kann: "Das Ganze heißt Embedded Swift und ist sozusagen eine etwas reduzierte Variante von Swift, aber komplett optimiert auf kleine Mikrocontroller, die nicht viel Rechenkapazität und Speicher haben." Die Projekte: Von Dyslexie-Hilfe bis zum interaktiven Periodensystem Jan Steinhauer entwickelte für seine Wettbewerbsteilnahme "DyLexAid", eine App, die Menschen mit Legasthenie beim Lesen unterstützt. Die App bietet verschiedene Möglichkeiten, Texte einzugeben – sei es durch direkte Eingabe, Foto- oder PDF-Upload. Ein Algorithmus versucht, für die Eingaben einfachere Worte zu finden und Satzstrukturen zu verschlanken. Zusätzlich werden die Texte durch Text-to-Speech vorgelesen und schwierige Wörter visuell hervorgehoben. Bild 1 von 3 ChemBuddy - die Gewinner-App von Carl Seifert (3 Bilder) Mit dieser App gewann Carl Seifert bei der diesjährigen Swift Student Challenge (Bild: Carl Seifert ) Carl Seifert hingegen entwickelte ein interaktives Periodensystem für den Chemieunterricht. Seine Motivation entsprang aus eigenen Schulerfahrungen: "Besonders in Physik und Chemie hatte ich immer das Gefühl, dass manche Sachen nicht so wirklich intuitiv sind. Und da habe ich gedacht, Apps könnten hier der richtige Weg sein, das Ganze greifbarer zu machen." Die Idee, durch Antippen mehr Informationen zu dem jeweiligen Element zu bekommen, setzte er schließlich um. Die Herausforderungen beim App-Design Jan Steinhauer ist einer von weltweit 350 Gewinnern bei der Swift Student Challenge (Bild: Jan Steinhauer) Beide Entwickler betonen, dass neben den technischen Herausforderungen besonders das User-Interface-Design eine große Hürde darstellte. Seifert beschreibt: "Letztendlich möchte man ja, dass die Apps, die man entwickelt, jemand nutzen kann. Die müssen in irgendeiner Form intuitiv sein, man möchte die benutzen wollen und man darf da nicht so richtig aus einer Entwickler-Perspektive, sondern muss aus der Perspektive der Nutzenden herangehen. Diese zwei Sichten muss man irgendwie vereinbaren, und das war immer eine Herausforderung. Ich glaube, die Hälfte der Zeit habe ich immer damit verbracht, eine UI zu entwickeln, wo ich sage: ja, das ist es." Auch Steinhauer, der an der Universität Würzburg Human-Computer Interaction studiert, bringt sein Wissen in diesem Bereich in seine Apps ein: "Da habe ich auch versucht, mein Wissen aus der HCI, also aus Human Computer Interactions, reinzubringen und der App ein gutes User Interface und eine gute User Experience zu geben." visionOS und die Zukunft des Spatial Computing Jan Steinhauer zeigt sich besonders begeistert von Apples Vision Pro und den Möglichkeiten des Spatial Computing. Während seines Auslandssemesters an der University of Texas at Austin entwickelte er die App "Viva Monarch", die sich mit der Migration von Monarchfaltern beschäftigt. "Das hat mich so gecatcht, weil ich finde einfach, das ist komplett anders als andere VR-Brillen, da dieser Pass-Through-Mechanismus einfach viel besser ist, diese Immersion," schwärmt er von der Vision Pro. Gefragt nach der Zukunft des Spatial Computing erklärt er: "Dadurch dass ich als Werkstudent auch mit sehr vielen anderen Leuten, die Apps entwickeln, zu tun habe, sehe ich, dass es meiner Meinung nach zwei große Probleme gibt: Viele Leute sind noch nicht so vertraut mit VR und verstehen die Gesten nicht so schnell. Das zweite Problem ist, dass die Apple Vision Pro noch ein bisschen schwer ist." Mit einer Vision Pro 2 und späteren Generationen, die leichter und günstiger werden, werde sich das räumliche Computing allmählich durchsetzen, prophezeit er. Community und Mentoring: Weitergeben des Wissens Bemerkenswert ist, dass beide jungen Entwickler bereits ihr Wissen an andere weitergeben. Jan Steinhauer betreibt TikTok- und YouTube-Kanäle, auf denen er anderen visionOS näherbringt: "Ich wollte einfach zeigen: Was wird möglich mit der Apple Vision Pro? Was für Eingabemöglichkeiten gibt es?" Carl Seifert engagiert sich als Mentor beim Bildungsprojekt “Jugend hackt”: "Ich glaube, es ist keinesfalls mangelndes Interesse, sondern einfach nur der initiale Funke, der das Interesse weckt. Und meine Konsequenz, die ich daraus ziehe, ist, dass man Jugendlichen einen Raum geben muss, um ihre Interessen frei zu entfalten und ihre Ideen umzusetzen, insbesondere, wenn es darum geht, die Diversität in Informatikstudiengängen weiter voranzutreiben." Tipps für zukünftige Challenge-Teilnehmer Für alle, die selbst an der Swift Student Challenge teilnehmen möchten, hat Jan Steinhauer einen wichtigen Rat: "Der erste Punkt ist: man muss irgendwas finden, was zu einem passt. Im Endeffekt muss dafür das Herz brennen." Besonders wichtig seien auch die Liebe zum Detail und der Feinschliff: "Viele haben eine gute Idee, aber bei mir hat in den zwei Malen davor, wo ich nicht gewonnen habe, einfach noch dieser Feinschliff gefehlt." Der Traum von der WWDC Für beide Entwickler ist die Worldwide Developers Conference (WWDC) von Apple ein Highlight im Jahr. Carl Seifert, der nach zwei Gewinnen in den Vorjahren diesmal als Distinguished Winner nach Cupertino eingeladen wurde, freut sich besonders auf den persönlichen Austausch: "Am meisten freue ich mich auf die Kontakte und die Menschen, die man da treffen wird. Also letztendlich ist es ja auch ein Netzwerkevent. Darauf freue ich mich sehr, aber darüber hinaus sind auch die Sessions auf der WWDC wirklich interessant." Jan Steinhauer hofft, im nächsten Jahr ebenfalls zu den Distinguished Winners zu gehören – die erneute Teilnahme hat er sich bereits fest vorgenommen: "Ich war selbst noch nie in Cupertino oder in Kalifornien." Er würde sich freuen, sich dort mit anderen Menschen zu connecten, die ähnlich denken. "Das ist einfach eine große Möglichkeit und Chance." Zukunftspläne: Vom Studium in die Praxis Die beiden Studenten haben auch klare Vorstellungen für ihre berufliche Zukunft. Jan Steinhauer arbeitet bereits als Werkstudent bei SAP im Bereich iOS/visionOS-Entwicklung und möchte seine Apps, darunter DyLexAid und Viva Monarch, im App Store veröffentlichen, sobald er seinen Developer-Account eingerichtet hat. Carl Seifert, der gerade seinen Bachelor in Informatik an der TU Dresden abgeschlossen hat, ist als Forschungsstudent am Chair of Distributed and Networked Systems tätig und beschäftigt sich mit dem Internet der Dinge, insbesondere mit ressourcenbeschränkten Geräten. "Mein Hauptmotivator ist, das Leben aller in irgendeiner Form zu verbessern", erklärt er seine Motivation. "Und ich möchte mit Menschen zusammenarbeiten, die für ihre Sache einstehen, die engagiert sind. Und mein nächster Schritt auf diesem Weg ist es, meinen Master abzuschließen." Auch er plane, sein Periodensystem-Projekt in den App Store zu bringen. (mki)