Dieser Artikel wird laufend aktualisiert und fortgeschrieben. Die AfD reagiert verärgert. Die Einstufung seiner Partei als "gesichert rechtsextremistisch" durch den Verfassungsschutz sei "lachhaft", sagte der bayerische AfD-Landesvorsitzende Stephan Protschka dem BR. Er fühlte sich "an dunkelste Zeiten in Deutschland" erinnert. AfD-Bundesvize Stephan Brandner sprach von einer "rein politischen Entscheidung im Kampf der Kartellparteien" gegen die "einzige Oppositionskraft". Die Bundesvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla kündigten an, die AfD werde sich "juristisch zur Wehr setzen". Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stellte klar: "Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat einen klaren gesetzlichen Auftrag, gegen Extremismus vorzugehen und unsere Demokratie zu schützen. Und dabei arbeitet es eigenständig", betonte sie in Berlin. Die neue Einstufung sei das Ergebnis einer "umfassenden und neutralen Prüfung, die in einem 1.100-seitigen Gutachten festgehalten ist". Es habe "keinerlei politischen Einfluss" gegeben. Söder: "Keine Zusammenarbeit" Der CSU-Vorsitzende Markus Söder sprach von einem "großen Weckruf an die Demokratie", der nun auch vom Bundesverfassungsschutz komme. Die Entscheidung habe "fundamentale Folgen" für den Umgang mit der AfD, sagte Söder dem BR. "Wir brauchen nicht zu hyperventilieren. Aber relativieren ist der definitiv falsche Weg." Der CSU-Chef mahnte: "Deswegen keine Zusammenarbeit. Und die Brandmauer bleibt mehr denn je bestehen." Aus der CDU hatte es Mitte April Forderungen nach einem offeneren Umgang mit der AfD im Bundestag gegeben. Für Bundestagsvizepräsidentin Andrea Lindholz (CSU) steht fest: "Als gesichert rechtsextremistische Gruppierung ist die AfD keine Partei wie jede andere." Deshalb sollte sie auch nicht so behandelt werden, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. "Eine Wahl von AfD-Vertretern in repräsentative Funktionen wie das Bundestagspräsidium oder Ausschussvorsitze halte ich nun für kaum mehr denkbar." Auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, sieht sich "einmal mehr" bestätigt, "dass Vertreter der AfD im Bundestag für Ämter nicht wählbar sind und Demokratinnen und Demokraten nicht repräsentieren können". Sie kündigte an, die SPD werde sich in der Koalition mit CDU und CSU "zum weiteren Umgang mit der AfD" abstimmen. Rufe nach Verbotsverfahren Während Söder von allen Demokraten eine "bessere Politik" fordert, um die AfD "wieder zurückzudrängen", mehreren sich Forderungen prominenter SPD- und Grünen-Politiker nach einem Verbotsantrag. Grünen-Bundestagsfraktionschefin Britta Haßelmann schrieb auf X, Parlament und Bundesregierung müssten sich nun "erneut der Frage eines AfD-Verbotsverfahrens stellen". Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz und die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin, Irene Mihalic, teilten mit, die Einstufung sei "ein wichtiger Baustein mit Blick auf die Frage, wie es um die Erfolgsaussichten eines möglichen AfD-Verbotsverfahrens bestellt ist". SPD-Vizechefin Serpil Midyatli betonte, die Debatte über ein Parteiverbot müsse nun "in der nötigen Sorgfalt" fortgeführt werden. "Für mich ist klar: Das Verbot muss kommen." Aus der CDU macht sich Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Günther ein "zügiges" Verbotsverfahren. Die AfD lasse "schon lange keinen Zweifel an ihrer verfassungsfeindlichen Gesinnung", sagte er dem "Spiegel". Scholz: "Nicht übers Knie brechen" Bundesinnenministerin Faeser verwies darauf, dass ein Parteiverbotsverfahren aus guten Gründen sehr hohe verfassungsrechtliche Hürden habe. "Das sollte man nicht ausschließen, aber weiterhin sehr vorsichtig sein", sagte die SPD-Politikerin. "Es gibt jedenfalls keinerlei Automatismus." Der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mahnte beim Evangelischen Kirchentag in Hannover, ein Verbotsverfahren dürfe man "nicht übers Knie brechen". Skeptisch äußerte sich auch der CDU-Politiker Philipp Amthor. Über ein AfD-Verbot wird seit längerem diskutiert. In Deutschland können drei Verfassungsorgane ein Parteiverfahren am Bundesverfassungsgericht anstoßen: Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag. Herrmann: Können AfDler noch Lehrer sein? Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verwies ebenfalls auf die hohen Hürden. Für ihn seien andere Punkte absolut vorrangig, sagte er im BR-Interview. Zum einen sei die Frage der Zugehörigkeit zum öffentlichen Dienst zu klären: "Kann jemand, der der AfD angehört, noch Lehrer seien für unsere Kinder oder als Polizistin in der bayerischen Polizei mitarbeiten?" Zum anderen müsse bei einer als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Partei die staatliche Parteienfinanzierung auf den Prüfstand gestellt werden. Verfassungsschutz: Menschenwürde missachtend Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte am Vormittag mitgeteilt, dass es die AfD ab sofort "aufgrund der die Menschenwürde missachtenden, extremistischen Prägung der Gesamtpartei als gesichert rechtsextremistische Bestrebung" einstufe. Die Anhaltspunkte dafür, dass von der AfD Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehen, hätten sich in einer umfassenden gutachterlichen Prüfung zur Gewissheit verdichtet. Das in der Partei vorherrschende "ethnisch-abstammungsmäßige" Volksverständnis sei nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar. Es ziele darauf ab, bestimmten Bevölkerungsgruppen einen rechtlich abgewerteten Status zuzuweisen. So betrachte die AfD zum Beispiel deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern nicht als gleichwertige Angehörige des deutschen Volkes. Die Verfassungsschützer verwiesen auf fremden-, minderheiten- sowie islam- und muslimfeindlichen Äußerungen von führenden Funktionärinnen und Funktionären der Partei.