Schlangen: Mann liess sich Hunderte Male beissen: Neues Gegengift entwickelt

Ein Schlangenfan machte sich selbst zum Versuchskaninchen – nun gibt es dank ihm ein Gegengift, das vor den Giften von 20 Arten schützen soll. Darum gehts Ein US-Amerikaner hat sich über 18 Jahre von giftigen Schlangen beissen lassen – und hilft nun bei der Entwicklung eines neuartigen Gegengifts. Wissenschaftler der Columbia Universität und Centivax entwickeln dank ihm ein breit einsetzbares Antivenom. Das Mittel schützt gegen Gifte von Königskobra, Schwarzer Mamba und 17 weiteren Giftnattern. Die Wirkung wurde erfolgreich an Mäusen getestet, nächste Tests sind an Hunden geplant. Manchmal kommt der medizinische Fortschritt aus einer überraschenden Richtung: Ein von Schlangen begeisterter US-Amerikaner hat sich selbst immer grössere Dosierungen von Schlangengiften verabreicht, so dass er sich schliesslich von verschiedenen giftigen Schlangen beissen lassen konnte. Damit hat er eine aussergewöhnliche medizinische Entwicklung ermöglicht. Denn darauf aufbauend haben Wissenschaftler der Columbia Universität in New York und des Medizinunternehmens Centivax ein Gegengift entwickelt, das ihren Angaben zufolge das am breitesten einsetzbare bislang verfügbare Mittel sein soll. Das aus drei Stoffen bestehende Präparat soll vor den Giften von Königskobra, Schwarzer Mamba und 17 anderen Giftnattern (Elapidae) zumindest teilweise schützen, wie das Team im Fachblatt «Cell» berichtet. Spender liess sich jahrelang von Schlangen beissen Ein grosses Problem bei der Entwicklung von Gegenmitteln gegen Schlangenbisse ist, dass die Gifte oft aus einem Cocktail verschiedener Toxine bestehen, die unterschiedliche Wirkungen haben. Normalerweise würden Gegengifte dadurch entwickelt, dass man etwa Pferden oder Schafen das Gift einzelner Schlangenarten verabreicht und die gebildeten Antikörper isoliert, schreiben die Forscher. Dieses Verfahren könne zwar wirksam sein, aber auch gravierende Nebeneffekte haben, wenn die nicht-menschlichen Antikörper bei Menschen zum Einsatz kämen. Zudem wirken diese sogenannten Antivenome nur gegen die Gifte der jeweiligen Schlangenart. Das ist in diesem Fall anders. IMAGO/Cavan Images «Das Spannende an dem Spender war seine einmalige Immungeschichte», wird Erstautor Jacob Glenville, gleichzeitig Chef von Centivax, in einer Mitteilung des Verlags Cell Press zitiert. Der Mann habe sich über einen Zeitraum von fast 18 Jahren hundertfach von insgesamt 16 verschiedenen, sehr giftigen Schlangen beissen lassen. Er überlebte – und ist inzwischen bei Centivax angestellt. Mittel an Mäusen getestet Aus seinem Blut isolierten die Forscher zwei besonders breit wirkende Antikörper – LNX-D09 und SNX-B03 – und kombinierten sie mit einem Enzym-Hemmer zu einem Wirkstoff, der vor gleich mehreren Giften verschiedener Giftnattern schützen soll. In der Studie wurde dieser Cocktail an Mäusen getestet, die zuvor Gifte verschiedener Giftnattern verabreicht bekamen. Dabei bot das Mittel vollständigen Schutz gegen Gifte von 13 Schlangenarten – darunter waren die Königskobra, die Schwarze Mamba und der Inlandtaipan, der als weltweit giftigste Schlange gilt. Gegen sechs weitere Spezies – darunter die Grüne Mamba – bot der Cocktail einen teilweisen Schutz. Nächster Schritt: Test an Hunden Die Forscher räumen ein, dass diese Erfolge an Mäusen noch nicht ausreichen. In einem nächsten Schritt soll das Gegengift in Tierarztkliniken an Hunden getestet werden, die von Schlangen gebissen wurden. Das Mittel bot vollständigen Schutz gegen Gifte von 13 Schlangenarten – darunter waren die Königskobra, die Schwarze Mamba und der Inlandtaipan (im Bild), der als weltweit giftigste Schlange gilt. IMAGO/imagebroker Eine weitere Einschränkung sieht der nicht an der Studie beteiligte Biochemiker Tim Lüddecke von der Universität Giessen darin, dass die Wirkung auf die Gruppe der Giftnattern begrenzt sei: «Die Gifte der Vipern, welche völlig anders wirken und anders aufgebaut sind, werden nicht adressiert.» Das habe wichtige Konsequenzen in der Anwendung, denn diese Gruppe von Schlangen (Viperidae) verursache einen Grossteil der Schlangenbisse. Vermeidung von Spätfolgen unklar Lüddecke kritisiert ausserdem, die Studie konzentriere sich nur auf den lebensrettenden Effekt des Gegengifts. Daneben gebe es aber auch oft lebenslange körperliche Einschränkungen durch Schlangengifte. Dennoch lobt der Experte, die Studie verbinde die vielversprechendsten Ansätze in der Entwicklung moderner Wirkstoffe gegen Schlangenbisse miteinander. Das betont auch Michael Hust von der Technischen Universität Braunschweig. «Mit dem in der Studie vorgestellten Cocktail aus diesen zwei Antikörpern und dem Enzym-Inhibitor besteht eine grosse Chance, Tierseren, die zahlreiche Nebenwirkungen haben, mit einem gentechnisch hergestellten Produkt zu ersetzen.» Würdest du dich für die Wissenschaft in Gefahr begeben? Ja, für einen guten Zweck würde ich das tun. Nur, wenn es garantiert vielen Menschen hilft. Nein, meine Gesundheit ist mir zu wichtig. Ich will nur die Resultate sehen. Das Team selbst verfolgt das Ziel, langfristig ein oder verschiedene Universalmittel zu entwickeln, das sowohl Giftnattern als auch Vipern abdeckt. Dem Forschungsteam zufolge sterben jährlich mehr als 100'000 Menschen an Vergiftungen durch Schlangenbisse, 300'000 weitere tragen dauerhafte Behinderungen davon. Dazu zählen etwa Sehverlust oder Amputationen von Gliedmassen. Wissen-Push Abonniere in der 20-Minuten-App die Benachrichtigungen des Wissen-Kanals. 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