Dacia wagt sich in bisher unerreichte Gefilde: Der Bigster überragt den erfolgreichen Duster erheblich und hat mit 4,57 m Länge das Format eines Ford Kuga oder VW Tiguan erreicht. Finanziell allerdings spielt der Bigster mindestens eine Liga darunter. Das Basismodell ist ab 23.990 Euro zu haben, für den für uns gefahrenen "Hybrid 155" sind mindestens 28.590 Euro fällig. Wer etwas mehr als 30.000 Euro anlegt, bekommt eine sehr umfangreiche Ausstattung. Auch mit Vollausstattung bleibt der Bigster unter 34.000 Euro. Selbst ein nacktes Tiguan-Basismodell liegt ein paar Tausender drüber. Hat der Bigster mehr zu bieten als konkurrenzlose Preise? Anzeige Hinten lang Der Bigster überragt den Duster um fast 23 cm, doch auf den Radstand entfällt von diesem Zuwachs nur ein kleiner Teil – zwischen den Achsen liegt er bei gerade einmal fünf Zentimetern. Der Bigster hat etwas mehr Platz für die Insassen als der Duster (Test), doch riesig sind die Unterschiede nicht. Ganz anders beim Kofferraum. Bei vergleichbarer Motorisierung (Hybrid 140) fasst der Duster 430 Liter, der Bigster 667. Der Bigster Hybrid 155 nimmt immerhin noch 546 Liter auf. Das deutlich längere Auto hat also mehr Platz für Gepäck, was wenig überrascht, denn den größten Zuwachs in der Länge gibt es im Heckbereich. Dacia verkündet selbstbewusst, dass der Bigster mit dickeren Scheiben und mehr Dämmmaterialien perfekt für die große Tour mit der Familie gerüstet sei. Hier sind allerdings erste Abstriche zu machen, denn trotz der Versprechen ist das SUV lauter als die genannten Konkurrenten. Auch die Auskleidung des Innenraums ist trotz geschickter Narbung der Kunststoffe eher schlicht. Dafür sind Verarbeitung und Sitze okay. Alle tatsächlich relevanten Dinge sind intuitiv zu bedienen, in den Rest findet sich der Fahrer in der Regel schnell rein. Das große Panoramadach ist in der "Extreme"-Ausstattung serienmäßig. Erfreulich ist, dass sich Dacia der fragwürdigen Mode nicht zu öffnender Glasdächer verweigert. Anders als beispielsweise im ähnlich großen Renault Austral kann im Bigster auch auf diese Weise gelüftet werden. Nur das Nötigste Vollkommen klar muss sein, dass auch Dacia nicht zaubern kann. An Infotainment und Assistenz wird nur das Nötigste geboten. Immerhin: Fünf Jahre will Dacia das Betriebssystem mit over-the-air-Updates aktuell halten. Beim großen Navigationssystem sind acht Jahre lang Online-Verkehrsdaten inklusive – in einem Opel Mokka kostet vergleichbares etliche Hunderter zusätzlich. Sogar die Liste der Ladestationen wird aktuell gehalten – wofür das in einem Bigster auch immer gut sein soll. Der App-Store bietet die meistgenutzten Musik-Streamingdienste, die kostenlos heruntergeladen und installiert werden können. Für das Streaming an sich braucht es dann aber ein Smartphone, das seine Verbindung zum Internet via Tethering freigibt. Android Auto und Apple CarPlay lassen sich auch bei Dacia ohne Kabel nutzen, eine induktive Ladeschale haben nur die teuersten Ausstattungslinien. Übersichtlich bleibt das Angebot im Bereich der Assistenz. Weiter als bis zu einem Abstandstempomaten wagt sich Dacia nicht vor, und selbst den gibt es nur in Verbindung mit dem "Hybrid 155". Die vorgeschriebene Schildererkennung hat auch in diesem Auto Schwächen, weshalb das Fehlen einer automatischen Übernahme von erkannten Tempolimits nicht weiter dramatisch erscheint. Das Abblendlicht hat LEDs, das Fernlicht wird über Halogenlampen ausgeliefert. Ein Fernlicht-Assistent knipst es aus, wenn andere Verkehrsteilnehmer geblendet werden könnten. Matrix-Licht ist bei Dacia auch im Topmodell nicht zu haben, und das gilt auch für Features wie Spurwechsel- oder Einpark-Assistent. Im Bigster muss der Fahrer noch etwas mehr ran als in vollausgestatteten Konkurrenten. Anzeige Bild 1 von 11 Dacia Bigster (11 Bilder) Mit dem Bigster wagt sich Dacia erstmal in das Segment der Kompakt-SUV. Er hat etwa das Format eines VW Tiguan oder Mazda CX-5. (Bild: Dacia ) Drei Antriebe Derzeit gibt es drei Antriebe im Bigster, die auf den ersten Blick bei Motor- und auch Fahrleistungen eng beieinander liegen. Das von uns gefahrene Topmodell hat 115 kW, doch wer es erwählt, um möglichst maximal flott fahren zu können, sollte von dieser Idee wieder Abstand nehmen. Denn die Systemleistung ist hier gewissermaßen ein Abfallprodukt des technisch ungewöhnlichen Aufbaus. Dacia übernimmt die Idee des Multi-Mode-Getriebes von Nissan und Renault. Im Vordergrund steht, den 1,8-Liter-Benziner so oft es nur geht unter idealer Last zu betreiben und so den Verbrauch zu senken. Im WLTP gelingt das glänzend: Der Hybrid 155 ist im Zyklus mit 4,7 Litern angegeben und liegt damit mindestens 0,8 Liter unter den anderen Versionen. Im simulierten Stadtverkehr werden 5,2 Liter für den Hybrid 155 genannt, die anderen Versionen liegen zwischen 6,9 und 7,1 Liter. Testwagen mit diesem Antrieb haben in der Vergangenheit bewiesen, dass das Konzept immer dann besonders gut zur Geltung kommt, wenn die Geschwindigkeit niedrig und vor allem wechselhaft ist. Variable Zusammenarbeit Verknüpft werden eine 1,4-kWh-Batterie, ein 1,8-Liter-Vierzylinder-Benziner, der 80 kW leistet und ein E-Motor, der 36 kW bietet. Das Multi-Mode-Getriebe hat nur vier Gänge für den Verbrenner, eröffnet aber sehr viele Möglichkeiten einer Zusammenarbeit der beiden Motoren. Je nach Lastanforderung kann dieser Antriebsstrang rein elektrisch oder verbrennungsmotorisch betrieben werden, samt aller denkbaren Zwischenstufen – beispielsweise seriell. Technisch ist das unverändert spannend, und der Verbrauch liegt unter dem, was viele direkte Konkurrenten konsumieren. Das klappt zumindest so lange, wie sich der Fahrer auf das Konzept einlässt, denn ein Aushebeln ist natürlich simpel. Hohe Dauergeschwindigkeiten auf der Autobahn egalisieren den Vorteil gegenüber den anderen Bigster-Antrieben. Eigenheiten des Antriebs Gewöhnen muss sich der Fahrer auch an ein paar Eigenheiten des Antriebs. Die Steuerung knipst beispielsweise im Stadtverkehr den Verbrenner mitunter aus, wenn Ladestand der kleinen Pufferbatterie und Lastanforderung einen alleinigen E-Antrieb zulassen. Umgedreht läuft der Benziner manchmal hart unter Last, obwohl der Fahrer nur gleichmäßig dahinrollen will. Technisch Interessierte werden das vielleicht mit Behagen verfolgen, andere wird das irritieren. Und wer den Antrieb zur Eile treibt, wird angesichts von nur vier Gängen für den Verbrenner feststellen, dass jeder Übersetzungswechsel deutlich zu spüren ist. Das Fahrverhalten ist unauffällig, wobei der Interessent einen Bogen um die 19-Zöller machen sollte. Denn mit denen wird das Fahrverhalten weniger komfortabel. Wer es ausgesprochen eilig hat, wird sich an spürbaren Wankbewegungen bei flotter Kurvenfahrt oder schnellen Richtungswechseln stören. Die Lenkung ist leichtgängig, was insbesondere das Einparken erleichtert. Die Bremse lässt sich nicht besonders gut dosieren – andere bekommen den Übergang zwischen Rekuperieren und der Verzögerung über die Betriebsbremse unauffälliger hin. Fazit Am Ende bleiben ein paar Kleinigkeiten, mit denen sich der Bigster-Interessent arrangieren muss, wobei kein Konkurrent frei von individuellen Schwächen ist. Das neue SUV von Dacia ist nicht so leise wie manch andere in diesem Segment, und hektische Fahrer werden mit ihm auch nicht glücklich. Er bietet keine umfangreiche Multimedia-Spielerei und das Angebot an Assistenz ist übersichtlich. Für rund 30.000 Euro gibt es bei anderen Herstellern allerdings ein SUV in dieser Größe nur als Gebrauchtwagen. Wer nun meint, dies sei der bessere Deal, hat möglicherweise recht. Für Dacia allerdings geht das Konzept vermutlich auch in dieser Klasse auf. Beim Sandero klappt das schon seit geraumer Zeit: Er ist das derzeit meistverkaufte Auto in der EU. (mfz)