Die Besetzung des neu zu schaffenden Bundesministeriums für Digitalisierung und Staatsmodernisierung mit dem Wirtschaftsmanager Karsten Wildberger gilt als Überraschungscoup des designierten Bundeskanzlers Friedrich Merz (CDU). Der bisherige Vorstandsvorsitzende von Ceconomy, der Muttergesellschaft von MediaMarkt und Saturn, fühlt sich "geehrt" von dem in ihn gesetzten Vertrauen des designierten Regierungschefs: "Digitalisierung und Technologie waren prägende Themen meiner beruflichen Laufbahn, und das neue Ministerium wird eine entscheidende Rolle bei der Modernisierung unseres Landes spielen." Aus der Branche für Informations- und Kommunikationstechnik (ITK) ist nur Positives über die Wahl zu hören. Doch es gibt auch Skeptiker. Anzeige Mit Wildberger "wird nicht nur ein Unternehmer, sondern auch ein Top-Lobbyist zum Minister gemacht", warnt der Verein LobbyControl im Namen der Initiative Transparente Zivilgesellschaft. Der 55-Jährige sei Vizepräsident des mächtigen Handelsverbands Deutschlands (HDE) und vertrete damit die Interessen von Konzernen wie Aldi, Lidl und Amazon. Der Manager ist zudem seit 2021 stellvertretender, ehrenamtlicher Vorsitzender des Wirtschaftsrats der CDU und beim Bundestag als Interessenvertreter registriert. LopbbyControl stellt Unabhängigkeit infrage LobbyControl hält es daher für "fraglich", wie unabhängig Wildberger in seinen neuen politischen Schwerpunkten entscheiden kann. Der Seitenwechsler müsse seine Ämter beim HDE und beim Wirtschaftsrat ablegen. Das künftige Digitalministerium werde "zentrale Zukunftsfragen" wie Bürokratieabbau und Tech-Regulierung verantworten. Gerade der Bürokratieabbau werde immer wieder dazu verwendet, "Unternehmensinteressen Vorrang" einzuräumen, warnt LobbyControl. Vor seiner Zeit bei Ceconomy war Wildberger in internationalen Führungspositionen bei T-Mobile, Vodafone und dem australischen Telekommunikationsunternehmen Telstra tätig. Beim Energiekonzern E.ON war er als Vorstandsmitglied für den digitalen Wandel zuständig. Zudem arbeitete er als Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group mit Fokus auf Strategie und Digitalisierung. "Meilenstein für Deutschland" Glückwünsche, gepaart mit Vorschusslorbeeren erreichen den 55-Jährigen aus der Wirtschaft. "Seine Kernaufgabe ist, Deutschland zu einem digital souveränen Land zu machen – in Wirtschaft, Staat und Gesellschaft", erklärte Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. Die Einrichtung des neuen Ressorts sei "ein Meilenstein für Deutschland"; seine Ausgestaltung werde maßgeblich dafür sein, ob es zu einem echten Treiber für die Digitalisierung wird. Es gelte, auf diesem Gebiet handlungsfähig zu sein, um "die Wirtschaft in Schwung zu bringen", die Sicherheit im Cyberraum zu verbessern und "den Staat auf die Höhe der Zeit zu bringen". Das sei verbunden mit "großen Aufgaben", betonte Wintergerst. Das neue Ministerium benötige daher jetzt "eine zügige und verbindliche Klärung der konkreten Zuständigkeiten, Befugnisse und Ressourcen, auch im nachgeordneten Bereich". Es könne nur schlagkräftig handeln, "wenn es die Federführung für die digitalen Kernthemen erhält und mit den notwendigen Koordinierungsrechten, einem Digitalvorbehalt sowie einem ausreichenden Einzelplan ausgestattet ist". Eine Art Pflichtenheft dafür veröffentlichte der Digitalverband schon vorige Woche. Anzeige Ähnlich äußerten sich der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco und Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi). Wildberger müsse "den Digitalstandort Deutschland souverän und wettbewerbsfähig" aufstellen, betonte der eco-Vorstandsvorsitzende Oliver Süme. Er mahnte den Minister in spe anlässlich der Vorlage eines Konzeptpapiers, nicht nur eine ambitionierte Digitalstrategie vorzulegen, sondern auch den KI-Standort zu stärken sowie "überzogene Überwachungsansätze wie die anlasslose Vorratsdatenspeicherung" zu verhindern. BITMi-Präsident Oliver Grün hob hervor: "Jetzt kommt es darauf an, dass das neue Ministerium die notwendige Durchsetzungskraft und Gestaltungsmacht erhält, um die Digitalisierung über alle Ressortgrenzen hinweg effizient zu steuern." Telcos hoffen auf Rettungsanker Mehrere Telekommunikationsverbände begrüßten die Nominierung Wildbergers ebenfalls verknüpft mit eigenen Wünschen. "Eine der großen Aufgaben des künftigen Ministers in den kommenden Monaten ist das Vorantreiben eines Konzeptes zur Kupfernetz-Abschaltung", erklärte der VATM. "Ebenso wichtig ist es, den Glasfaserausbau weiter zu beschleunigen und Planungssicherheit für Investoren zu schaffen." Wer von KI profitieren wolle, "benötigt Highspeed-Netze", hofft der Netzbetreiberverband Anga gar auf einen "Rettungsanker" mit dem Einzug des Branchenvertreters in die Exekutive. "Die neue Bundesregierung muss dafür die richtigen Rahmenbedingungen setzen, und zwar in den ersten 100 Tagen." Der Verband zeigte sich angesichts der Kandidaten für die parlamentarischen Staatssekretäre Thomas Jarzombek und Philipp Amthor "optimistisch". Auch der Breko mahnte den Fachmann, das geplante Konzept zum Infrastruktur-Upgrade von Kupfer- auf Glasfasernetze, die Einigung auf ein wirksames Netzausbau-Beschleunigungsgesetz und einen konsequenten Bürokratieabbau rasch anzupacken. (vbr)