Rivalität im Radsport: Warum die Tour-Planung gegen Pogačar spricht

Das war’s mit den Rad-Klassikern im Frühjahr. Einmal Italien: Mailand-Sanremo, einmal Frankreich: Paris-Roubaix, zweimal Belgien: Flandern-Rundfahrt und Lüttich-Bastogne-Lüttich. Zwei Rennfahrer haben sich die Siege geteilt. Der Niederländer Mathieu van der Poel gewann in Sanremo und Roubaix, der Slowene Tadej Pogačar in Flandern und Lüttich. Van der Poel ist ein Spezialist für diese Art von Rennen, ein Kraftpaket. Pogačar, zehn Kilo leichter, ist ein feingliedriger Stilist und Allrounder, ein Alleskönner, der härteste Eintagesrennen gewinnt, aber auch die großen Rundfahrten. Tour de France, Giro d’Italia. Er ist ein kompletter Rennfahrer in der Tradition der Größten: Eddy Merckx, Bernard Hinault. Aus Lüttich ist er abgereist mit den Worten, er sei froh, nach vielen Monaten endlich wieder nach Hause zu kommen. Durchzuatmen. Er hat zusammen mit van der Poel das Frühjahr geprägt. Das ist Vergangenheit. Die Zukunft heißt: Tour de France. Die große Schleife durch Frankreich beginnt am 5. Juli in Lille, hoch oben im Norden. Wieder erwartet Pogačar – wie in den vergangenen Jahren – ein Duell. Wieder gegen einen Spezialisten, wieder gegen den Dänen Jonas Vingegaard, einen Rundfahrer, der bei Eintagesrennen nicht zu sehen ist, weil er entweder nicht mitfährt oder unter ferner liefen endet. Externer Inhalt von Twitter Um externe Inhalte anzuzeigen, ist Ihre widerrufliche Zustimmung nötig. Dabei können personenbezogene Daten von Drittplattformen (ggf. USA) verarbeitet werden. Weitere Informationen . Externe Inhalte aktivieren Aber die Tour de France ist sein Terrain, das zu ihm passt wie angegossen. Ein leichtfüßiger Bergfahrer, der 2022 und 2023 bewiesen hat, dass er Pogačar bei der Tour schlagen kann. Bei Pogačars drittem Tour-Sieg im vergangenen Jahr war Vingegaard nach einem schweren Sturz im Frühjahr nicht in absoluter Topform und kein Gegner auf Augenhöhe. Wer ist frischer, wer ist stärker? Das sollte diesmal anders sein. Zwar ist der Däne bei Paris-Nizza wieder gestürzt, doch ohne allzu große Folgen. Sein holpriges Frühjahr dürfte bis Juli keine Rolle mehr spielen. Er bereitet sich über Monate auf einen einzigen Höhepunkt vor: auf die Tour de France. Pogačar dagegen hat die großen Rennen des Frühjahrs abgespult und auch seine Premiere beim gefährlichen und knochenharten Klassiker Paris-Roubaix nicht gescheut. Wie wirkt sich das auf seine Leistung bei der Tour aus? Hat er schon zu viele Körner verbraucht? Zu viel Energie? Wer hat während der drei Wochen quer durch Frankreich im Juli die besseren Karten? Wer ist frischer, wer ist stärker? Wem liegt das Streckenprofil mehr? Pogačars Schwächen auf eine Landkarte übertragen Die letzte Frage ist einfach zu beantworten: Vingegaard. Die Routenplaner haben eine Strecke mit außergewöhnlich vielen Hochgebirgsetappen präsentiert – mit mehreren Anstiegen, die in der Vergangenheit für Pogačar schwierig waren. Es war schon von einer „Anti-Pogi-Tour“ die Rede, einem Kurs, der Pogačar bremsen soll. Auffällig ist, dass die schwersten Berge vor allem in der zweiten Tour-Hälfte kommen. Die zwölfte Etappe führt in den Pyrenäen nach Hautacam, ein Aufstieg, an dem Pogačar 2022 die Tour verlor. Die 16. Etappe führt über den Mont Ventoux – wo Pogačar 2021 Probleme hatte. Die 18. Etappe führt in den Alpen auf den Col de la Loze, den Scharfrichter oberhalb von Méribel – wo Pogačar 2023 kollabierte und fast sechs Minuten auf Vingegaard verlor. Es ist, als hätte man Pogačars Schwächen aus der Vergangenheit auf eine Landkarte übertragen. Dass die Tour-Planer den Slowenen an die Schauplätze seiner traumatischen Einbrüche zurückführt, deuten manche Beobachter als Versuch, die Spannung hochzuhalten und Vingegaard bei den Pokerpartien im Hochgebirge das bessere Blatt in die Hand zu geben. Die Route ist maßgeschneidert für einen konstanten Kletterer in großer Höhe – für Vingegaard, nicht für Pogačar, der explosive Anstiege und Tempowechsel mit mehreren mittelschweren Bergen mag.