Vorlesen 0:00 0:00 News folgen Artikel teilen Die EU möchte ältere Autos jedes Jahr zum TÜV bitten. Und trampelt damit abermals auf dem Gemeinsinn der Gemeinschaft herum, den diese noch nie so sehr brauchte wie jetzt. Ein Irrsinn mit Methode? Aus triftigem Grund vorweg die Karten allesamt auf den Tisch: Ich besitze drei motorgetriebene Fahrzeuge. Das älteste ist eine Hercules Optima 3 in Irisch-Grün, picobello restauriert, 45 Jahre alt, eine wieder aufgeflammte Jugendliebe. Auch schon ganz gut eingefahren mit seinen 256.000 Kilometern: ein anthrazitschwarzer Mercedes 500 SE, W126, Baujahr 1990. Der Benjamin im Fuhrpark ist ein 19 Jahre alter Fiat Panda, das einzige Nutzfahrzeug der Flotte und wirklich eine tolle Kiste, wie der Werbespruch für den Ur-Panda einst lautete. Aber auch diese Kiste steht vor allem herum. Denn eigentlich bin ich längst Bahnfahrer auf langer Strecke und Fahrradfahrer in der Stadt. Bis auf Gartenschnitt zum Wertstoffhof geht praktisch alles per Rad. Mit den unkaputtbaren Klassikern aus Lkw-Plane hinten am Gepäckträger lassen sich auch massive Einkäufe bestens nach Hause balancieren. Als hätten die Hersteller das im Blick gehabt, flutscht auch genau je ein Karton Wein in die beiden Satteltaschen. Und mit zwölf Flaschen kommt man auch bei einer größeren Gästeschar schon recht weit am Abend. So. Das haben wir geklärt. Nun lese ich dieser Tage in der ehrwürdigen "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (die das Thema zu Recht auf der Seite Eins angerissen hat): In der EU gibt es Pläne, Autos ab einem Alter von zehn Jahren jedes Jahr beim TÜV vorfahren zu lassen und nicht nur alle zwei. Der angegebene Grund: Ältere Fahrzeuge seien häufiger an Unfällen beteiligt als jüngere, obgleich, das wird hinzugefügt, der Anteil technisch verursachter Unfälle marginal sei. (Quelle: Reinaldo Coddou H.) Zur Person Christoph Schwennicke ist Politikchef von t-online. Seit fast 30 Jahren begleitet, beobachtet und analysiert er das politische Geschehen in Berlin, zuvor in Bonn. Für die "Süddeutsche Zeitung", den "Spiegel" und das Politmagazin "Cicero", dessen Chefredakteur und Verleger er über viele Jahre war. Hm. Technische Defekte führen kaum zu Unfällen, aber ältere Wagen sind dennoch vermehrt an Unfällen beteiligt? Kurz nachdenken, dann klärt der gesunde Menschenverstand diesen scheinbaren Widerspruch auf. Wenn die Autos auf den Straßen Europas im Schnitt 10,8 Jahre alt sind, dann haben die älteren Semester einen hohen Anteil am Verkehrsaufkommen und sind damit oft an Unfällen beteiligt. Wenn man zudem davon ausgeht, dass die meisten jungen Menschen, Fahranfänger, mit 18 Jahren erst mal keinen Neuwagen von Mami und Papi auf den Hof gestellt bekommen, sondern sich eine erschwingliche, gebrauchte und betagte Karre kaufen, dann ist das Rätsel vermutlich endgültig gelöst. Fahranfänger sind überproportional häufig an Verkehrsunfällen beteiligt. Sie können es naturgemäß noch nicht so gut und, nun ja, kompensieren das mangelnde Können durch Übermut. Weiß man spätestens seit James Dean. Im Film und im richtigen Leben. Daran ändert kein TÜV der Welt etwas. Der gesunde Menschenverstand scheint aber eine rare Ressource in den weitläufigen Fluren der EU-Bürokratie zu sein. Vielmehr kann einem die Idee kommen, dass irgendwo inmitten dieser 60.000 Bewohner eines sehr eigenen und realitätsresistenten Kosmos eine Abteilung, eine ganz zentrale Abteilung sitzt, die sich vor allem einem Gedanken widmet: Wie schaffen wir es, mit möglichst wenig Aufwand und gegen jede Vernunft möglichst viele dieser Normalo-Menschen da draußen gegen uns aufzubringen? Schildkröten in einer Bucht der Kanaren Immer wieder landet diese Hauptabteilung Schikane Volltreffer. Verstehen Sie mich jetzt bitte nicht falsch, ich liebe Schildkröten. Als ich mal drei, vier mehr als pfannengroße Exemplare der Spezies Caretta Caretta, die unechte Karettschildkröte, in einer Bucht auf den Kanaren erspähte, war ich ergriffen von deren Anblick. Und glücklich darüber, dass sie trotz allen Trubels auf der Insel offenbar ihrem Brutgeschäft nachgingen. Das gesagt habend, glaube ich nicht, dass ihretwegen die Plastikstrohhalme abgeschafft werden mussten und wir deshalb seither an ungekochten Nudeln saugen. Oder die Schraubverschlüsse von Flaschen und Milchtüten neuerdings an einem Plastiknubsi hängen müssen, den ich immer als Erstes abreiße.