Der heutige Tag schafft Klarheit: Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die AfD als eine gesichert rechtsextremistische Bestrebung ein. Sie kann somit ab sofort vollumfänglich beobachtet werden. Hinweise auf rechtsextreme Tendenzen in der Partei gab es genug und sie wurden in den vergangenen Monaten immer mehr. Verharmlosende Kommentare zu NS-Verbrechern durch den neuen Bundestagsabgeordneten Maximilian Krah führten innerhalb der AfD zu keinerlei Konsequenzen. Folgenlos blieb auch die Verbrüderung immer weiterer Kreise der Partei mit rechtsextremen Akteuren der Identitären Bewegung. Deren Konzept der Remigration wurde vom bayerischen AfD-Landesverband sogar auf einem Parteitag offiziell übernommen. In der verabschiedeten Resolution sprachen sich die Teilnehmer des Parteitags in Greding dafür aus, die millionenfache Ausweisung von Migranten als Staatsziel zu erheben. Ein Parteiverbot der AfD wäre gänzlich falsch Wer Menschen in Deutschland in Bürger erster und zweiter Klasse einteilt, spaltet die Gesellschaft und gefährdet das friedliche Zusammenleben. Vom erträumten EU-Austritt ganz zu schweigen. Jetzt könnte man die Partei doch gleich ganz verbieten, denkt sich manch einer. SPD und Grüne fordern es schon länger. Und doch wäre ein Parteiverbot der AfD gänzlich falsch. Nicht missverstehen: Die Partei missachtet in Teilen unsere Demokratie und deren Institutionen. Doch wie für vieles im Leben gibt es auch hier ein Chronos und ein Kairos. Chronologisch wäre nun nach der neuen Einstufung ein Verbotsverfahren linear gedacht der nächste logische Schritt. Doch im Kairos, also vom Timing her, wäre ein angestrebtes Verbot der AfD völlig falsch. Ein Verbot wäre sogar gefährlich Der optimale Zeitpunkt für ein solches Verfahren wäre vielleicht vor ein, zwei Jahren gewesen. Eine Partei, die von jedem fünften Wähler in Deutschland ihre Stimme erhalten hat, einfach verbieten zu wollen, wäre aus zwei Gründen gefährlich: 1. Der Ausgang eines solchen Verfahrens ist ungewiss. Der AfD nachzuweisen, dass sie aktiv verfassungsfeindlich ist und daran arbeitetet, Rechtsstaat und Demokratie in Deutschland abzuschaffen, ist deutlich schwieriger, als ihre Ansichten als rechtsextrem einzustufen. Sollte der Versuch nach hinten losgehen, gäbe es für die AfD und ihre Anhänger kein Halten mehr. 2. Eine Partei zu verbieten, die von zehn Millionen Menschen gewählt wurde, könnte zu großen Verwerfungen innerhalb der Gesellschaft führen. Ähnlich wie bei Corona könnte ein erheblicher Teil der Bevölkerung seinen Glauben an das System verlieren. Die AfD könnte nachhaltig ihre Erzählung einer Verschwörung der Parteien gegen sie etablieren, der Schaden wäre wie bei Corona angerichtet und selbst mit triftigen Argumenten nur schwer wieder aus der Welt zu schaffen. Es gibt bessere Wege als ein Verbot In einer Demokratie muss es andere Wege geben, als einfach ein Verbot auszusprechen. Ein erster Schritt wäre, die Missstände im Land endlich anzupacken: ausufernde Bürokratie, Probleme in der Integration und Migration, die zunehmende Vereinsamung und Über-Individualisierung, und mancherorts die fehlende Bereitschaft, mit anzupacken für das Gemeinwohl. Viele AfD-Wähler stehen sicher nicht wegen, sondern trotz der radikalen Sprüche und Ziele hinter der AfD, sie vermissen nur ein glaubwürdiges Gegenangebot.