Miss Germany: Warum Göttingen sich bewirbt - und für Feminismus einsetzt

Göttingen. „Ich könnte mich neben das Porträt von Emmy Noether stellen. Meine Tochter und ich haben uns vorhin erst über sie unterhalten“, sagt Marie Kristin Köberlein, als sie vor den Porträts berühmter Frauen an der ehemaligen JVA nahe der Göttinger Innenstadt steht. Denn genau wie Emmy Noether, Frida Kahlo oder Ruth Bader Ginsburg möchte auch die 38-Jährige ein Vorbild sein – für ihre Tochter und für alle Frauen. Weiterlesen nach der Anzeige Weiterlesen nach der Anzeige Um sichtbar zu werden, hat sich die Göttingerin bei der Wahl zur „Miss Germany“ 2025/26 beworben. „Ich will nicht auf Männern herumhacken“, sagt Köberlein. „Stattdessen möchte ich Frauen ermutigen, mit herausgestreckter Brust stolz im Leben zu stehen und sich zu trauen, für sich einzustehen.“ Imagewechsel bei „Miss Germany“? Wer an „Miss Germany“ denkt, könnte zunächst einen Wettbewerb mit traditionellen Schönheitsidealen im Kopf haben. Wie passt das zusammen mit Köberleins Überzeugungen? Weiterlesen nach der Anzeige Weiterlesen nach der Anzeige Die Wahl zur „Miss Germany“ startete 1927 als Schönheitswettbewerb für junge Frauen. Doch seit 2019 Max Klemmer in dritter Generation das Unternehmen leitet, soll mit dem „eindimensionalen, misogynen Frauenbild“ Schluss sein, wie er sagt. „Miss Germany“ ziele nun darauf ab, Frauen zu stärken. Die Veranstalter der Wahl der „Miss Germany": Max Klemmer, Horst Klemmer und Ralf Klemmer (v. l.) führen das Unternehmen in dritter Generation. (Archivbild) Quelle: picture alliance/dpa „‚Miss Germany' soll heute den Begriff ‚Frau Deutschland' derart neu aufladen, dass er für alle Frauen in Deutschland steht“, wird Klemmer zitiert. „Nicht dafür, wie Männer sich die Optik von Frauen wünschen.“ Auch Köberlein habe bislang nur gute Erfahrungen mit dem Wettbewerb gemacht. Jede Frau, die sich beworben hat, könne kostenfreie Workshops besuchen, beispielsweise zum Thema Selbstmanagement – unabhängig davon, wie weit sie im Wettbewerb gekommen ist, sagt die Göttingerin. Erfahrung im Job: Nur Männer befördert Köberlein selbst engagiere sich ebenfalls für Frauen und Kinder, unter anderem im Göttinger Bettina-von-Arnim-Club: ein „Club aktiver Frauen aus Göttingen und Umgebung“. Außerdem besucht sie Seminare, auf denen sich Frauen vernetzen und über ihre Erfahrungen in der Arbeitswelt austauschen sollen. Dazu nimmt Köberlein ihre rund 5000 Followerinnen und Follower in ihren Instagram-Beiträgen mit. Weiterlesen nach der Anzeige Weiterlesen nach der Anzeige Marie Kristin Köberlein hat einen Abschluss in Betriebswirtschaftslehre und hat unter anderem in der Öffentlichkeitsarbeit und im Vertrieb gearbeitet. Quelle: Christine Mühlberg Die 38-Jährige ist alleinerziehende Mutter, machte ihren Abschluss in Betriebswirtschaftslehre an der Georg-August-Universität Göttingen und arbeitete unter anderem im Vertrieb und als selbstständige Immobilienmaklerin. Derzeit absolviert sie Fortbildungen, um sich als Coach selbstständig zu machen. Angefangen habe ihr Engagement für Gleichberechtigung während ihrer Tätigkeit in der Öffentlichkeitsarbeit, sagt Köberlein. „Ich habe mich gefragt, warum nur Männer befördert wurden und nicht ich.“ Den Fehler habe sie dann einzig bei sich selbst gesucht. Ein weltweites Problem, meint die 38-Jährige. „In vielen Jobs gibt es sehr viele Assistentinnen, das sind meistens Frauen.“ Noch immer keine Gleichberechtigung im Jahr 2025 Im Arbeitsalltag habe sie deshalb schnell lernen müssen, sich zu behaupten. „Ich habe kein Problem mehr damit, mich unbeliebt zu machen, um für meine Grenzen einzustehen“, sagt sie. Die Konsequenz: Frauen würden deshalb oft als kühl und distanziert gelten. Karriere machen, Kinder groß ziehen und dabei noch Zeit für Freunde, Familie und sich selbst zu haben, ohne dabei in Rollenbilder gesteckt und stigmatisiert zu werden, sei ein Ding der Unmöglichkeit, sagt Köberlein: „Wir sind in 2025 angekommen, aber wir haben noch immer keine Gleichberechtigung.“ Das sei der Punkt gewesen, an dem sie für sich festgestellt habe: „Dann bin ich eben Feministin.“ Weiterlesen nach der Anzeige Weiterlesen nach der Anzeige Ziel der Bewerberin: Umdenken in der Arbeitswelt Deshalb möchte die Göttingerin unter anderem für ein Umdenken in der Arbeitswelt kämpfen. „Wenn ich dafür ins Fernsehen zu ‚Miss Germany' gehen muss, dann mache ich das“, sagt Köberlein. Auf das Format sei sie eher zufällig gestoßen. Sich zu verstecken, wenn etwas Ungerechtes passiert, ist die schlechteste Entscheidung. Marie Kristin Köberlein, Bewerberin aus Göttingen bei „Miss Germany" Zunächst habe sie sich gefragt, ob eine Bewerbung das Richtige ist, zumal sie sich in der Öffentlichkeit angreifbar macht. „Aber sich zu verstecken, wenn etwas Ungerechtes passiert, ist die schlechteste Entscheidung“, sagt Köberlein. Auch aus ihrem Umfeld habe sie Unterstützung und Zuspruch erhalten. Von starken Frauen profitieren auch Männer Noch steht sie am Anfang ihrer Reise bei „Miss Germany“. Genaue Abläufe haben die Veranstalter bislang nicht veröffentlicht. Im Vorjahr folgten auf die erste Phase mit Bewerbung und Vorauswahl eine Deutschland-live-Tour, eine Masterclass, ein „Mastermind Camp“ in Kroatien und schließlich das Finale. Laut Köberlein soll das Finale in diesem Jahr auch im Fernsehen übertragen werden. Weiterlesen nach der Anzeige Weiterlesen nach der Anzeige „Ich habe eine kleine Tochter, ich wünsche mir, dass es für sie einfacher wird“, sagt Köberlein. Und auch Männer würden von selbstbewussteren Frauen profitieren: „Sie alle haben Schwestern, Nichten, Cousinen und wollen, dass diese zufriedener durchs Leben gehen.“ Dieser Artikel erschien zuerst im „Göttinger Tageblatt / Eichsfelder Tageblatt“ – Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland.