Abo Flughafen Zürich – So landen allein fliegende Kinder sicher in den Armen ihrer Eltern Immer mehr Minderjährige reisen allein. Am Flughafen Zürich kümmert sich ein spezialisiertes Team um ihr Wohlergehen. Daniela Schenker Elias wird nach der Ankunft am Flughafen Zürich von seiner Mutter in Empfang genommen. Foto: Rahel Zuber Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren. Abo abschliessenLogin BotTalk In Kürze : Jährlich betreut Swissport am Flughafen Zürich über 12’000 unbegleitete Minderjährige. Die Spezialbetreuung kostet bei Swiss zwischen 95 bis 170 Franken. Kinder unter zwölf Jahren müssen zwingend den UM-Service in Anspruch nehmen. Besonders viele unbegleitete Minderjährige reisen zwischen Zürich und Pristina. Emma (Name geändert) hat in den Frühlingsferien Grosses vor. Sie darf ihre Gotte in Málaga besuchen – und zum ersten Mal allein fliegen. Es ist viel los am Flughafen Zürich an diesem Donnerstagmorgen. Gar nicht so einfach, im Gewusel von Menschen und Rollkoffern den Weg durch die Sicherheitskontrolle bis zum Flugzeug zu finden. Doch Emmas Familie hat vorgesorgt. Die 14-jährige Schülerin reist als sogenannte UM und wird damit lückenlos betreut. Die Abkürzung UM steht für Unaccompanied Minor, also unbegleitete Minderjährige. Im Auftrag der Fluggesellschaft Emma ist damit eine von 12’000 unbegleiteten jungen Reisenden im Alter von 5 bis 17 Jahren, um die sich Swissport Zürich jährlich im Auftrag verschiedener Fluggesellschaften kümmert. Ihre Zahl nimmt jedes Jahr zu. Allein 2024 um 4 Prozent auf rund 12’000. Gebucht wird die Spezialbetreuung immer über die Fluggesellschaft – entweder online, telefonisch oder im Reisebüro. Die Mitarbeitenden begleiten die jungen Alleinreisenden bis zum Flugzeug und übergeben sie der Kabinenbesatzung. Foto: Rahel Zuber Die meisten Airlines bieten den kostenpflichtigen UM-Service. Für Kinder unter 12 Jahren ist er obligatorisch, für Jugendliche bis 17 auf Wunsch buchbar. Die Kosten variieren bei Swiss und Edelweiss je nach Destination zwischen 95 (Europa) und 170 Franken (Langstrecke) pro Flug. Täschchen um den Hals Zu erkennen sind die UM an ihren um den Hals baumelnden Plastikmäppchen. In ein solches Mäppchen kommen beim Check-in auch Emmas Dokumente: Reisepass, Bordkarte und Betreuungsformulare. Ab diesem Moment ist Malsore Salihi für das Wohlergehen der jugendlichen Passagierin zuständig. Dokumente und Bordkarte kommen in ein Täschchen, das die allein reisenden Kinder um den Hals tragen. Foto: Rahel Zuber Sie arbeitet als Senior Agent für Checkport, eine Tochterfirma von Swissport. In dieser Funktion betreut sie seit sieben Jahren auch allein reisende Kinder. Eine Aufgabe, die der zweifachen Mutter viel Freude macht, wie sie später in einer kurzen Pause erzählt. Nun fragt sie erst einmal Emmas Mutter. «Wollen Sie Ihre Tochter bis zum Gate begleiten?» Das ist möglich, wenn der UM-Service gebucht wurde. Emmas Mutter kommt mit. Auch für sie ist es etwas Besonderes, ihre Jüngste erstmals allein ins Ausland reisen zu lassen. «Ich bin ein wenig aufgeregt», räumt sie ein. Den UM-Service habe sie vor allem gebucht, um sicherzugehen, dass am Ziel mit dem Gepäck alles klappt. Warten bis zum Abflug Gemeinsam geht es durch die Sicherheitskontrolle. Am Gate kommt er dann, der Abschied. Auch wenn bei einer 14-Jährigen in einem solchen Moment keine Tränen mehr fliessen, glaubt man doch, die Emotionen zu spüren. Nachdem sie ihre Tochter der Kabinenbesatzung übergeben hat, erinnert Salihi die Mutter nochmals daran, am Flughafen zu warten, bis Flug LX2110 nach Málaga in der Luft ist. Das ist Pflicht für den Fall, dass es zu grösseren Unregelmässigkeiten kommt. Eltern, die es wünschen, dürfen ihr Kind bis zum Gate begleiten und dort verabschieden. Foto: Rahel Zuber Emmas Mutter darf aber bald nach Hause. Der Flug ihrer Tochter startet pünktlich und wird auf die Minute genau in Málaga ankommen. Dort wartet erneut eine Betreuungsperson auf Emma und übergibt sie ihrer Gotte. Was für Emma und ihre Mutter ein Abenteuer ist, ist für Salihi ein Auftrag, wie er für sie und ihre Kolleginnen und Kollegen an Spitzentagen zur Sommerferienzeit bis zu 200-mal am Tag vorkommt. Manche Kinder seien veritable Vielflieger, beispielsweise weil ihre Eltern für internationale Unternehmen arbeiteten. «Die wissen genau, wie es läuft», erzählt Salihi. Pristina, Hongkong und Shanghai Wer zum ersten Mal allein reise, brauche meist etwas mehr Betreuung und Erklärung: «Da gibt es manchmal auch die eine oder andere Träne.» Aber dass ein Kind sich gar nicht von den Eltern habe lösen können, habe sie noch nie erlebt. Auch Verständigungsprobleme seien selten. «Heute sprechen viele Kinder Englisch, vor allem Expats oder Internatsschülerinnen.» Salihi spricht neben Deutsch und Englisch auch Albanisch. Das kommt ihr zugute, denn die meisten allein reisenden Kinder sind zwischen Zürich und Pristina unterwegs, vor allem im Sommer. Von Juni bis September werden die meisten UM betreut. In diesen vier Monaten stockt Checkport den Personalbestand von 30 Personen in der UM-Betreuung mit temporären Mitarbeitenden auf. Grössere Kinder tragen ihre Umhängetasche auch schon mal lässig in der Hand. Foto: Rahel Zuber Ganzjährig ist der Service für Abflüge nach Hongkong und Shanghai besonders gefragt. Auch junge Transitpassagiere werden betreut, bei längeren Aufenthalten in einer der beiden Aspire Lounges. Es helfe enorm, die Kinder mental auf die Reise vorzubereiten und diese gemeinsam in Gedanken durchzuspielen, sagt Salihi. Natürlich hat die erfahrene Betreuungsperson und Mutter auch ganz praktische Tipps, etwa fürs Handgepäck: Schmusetier, Kuscheldecke oder ein Tablet samt Kopfhörer – je nach Alter. Ganz wichtig: Die richtigen und gültigen Dokumente – das erspare böse Überraschungen. Halbmarathon am Flughafen Etwas mag Salihi an ihrer Aufgabe besonders: das Übergeben der Kinder an ihre Empfangspersonen. «Diese strahlenden Augen sind einfach unbeschreiblich.» Ein solcher Moment erwartet sie demnächst. Doch erst einmal muss sie den jungen Passagier vom weit entfernten Flugzeug abholen. Rund 20’000 Schritte – knapp die Distanz eines Halbmarathons – legt Salihi an einem Spitzentag zurück. An der Flugzeugtür der Aegean-Maschine aus Athen heisst es erst einmal warten. Die UM gehen zuerst an Bord und verlassen das Flugzeug zuletzt. Die Checkport-Mitarbeitenden sorgen dafür, dass die junge Reisende sicher durch das Gewusel am Flughafen Zürich zum Gate ihres Fluges kommt. Foto: Rahel Zuber Dann übergibt die Kabinenbesatzung ihr den zehnjährigen Elias (Name geändert). Die Kollegin von Salihi quittiert die Übergabe wie immer mit Unterschrift. Der Schüler, der mit seinem älteren Bruder reist, ist noch etwas verschlafen. Erst Umarmung, dann Unterschrift Doch nach der Gepäckausgabe taut er auf. Eine Woche sei er bei seinem Vater in den Ferien gewesen, erzählt Elias. Zuerst habe er nicht allein reisen wollen. «Doch dann», sagt er mit schelmischem Lachen und deutet eine Fingerbewegung auf einer Tastatur an, «habe ich meiner Mutter gesagt, du darfst drücken.» Sie hat den UM-Service gebucht und schliesst ihre Söhne nun im Terminal 2 wieder in die Arme. Auch bei der Gepäckausgabe erhalten die UM Unterstützung. Foto: Rahel Zuber Die Checkport-Mitarbeiterin lässt der Freude beim Wiedersehen Raum. Erst dann kontrolliert sie die Ausweispapiere der Mutter. Wie alle Empfangspersonen muss auch sie sich ausweisen. Erst wenn die Papiere stimmen, kann sie die Verantwortung für den jungen Passagier abgeben. Auch diesmal ist alles gut gegangen. In den sieben Jahren hat es Salihi noch nie erlebt, dass eine Empfangsperson nicht bereitstand. Daniela Schenker ist Redaktorin im Ressort Unterland. Mehr Infos Fehler gefunden?Jetzt melden.