Marvin Wildhage braucht auf Youtube nur ein paar Minuten, um das Bundespräsidialamt vorzuführen. „Also für meinen Geschmack ging das hier deutlich zu leicht“, sagt er in die Kamera. Der Youtuber hält ein Bundesverdienstkreuz in den Händen oder trägt es wahlweise am hellblauen Nike-Pullover. Um die Ehrung zu bekommen, musste er keine außergewöhnlichen Leistungen für die Gesellschaft erbringen – sondern bloß ein paar E-Mails schreiben. Der Achtundzwanzigjährige fällt nicht zum ersten Mal mit Pranks auf. Im Jahr 2020 fälschte er eine Dissertationsurkunde unter Angabe einer fiktiven Universität und erhielt einen Personalausweis mit Doktortitel; wegen Urkundenfälschung wurde er später zu einer Geldstrafe verurteilt. Während der Pandemie verschickte er unter anderem vermeintliche Dinosaurierknochen an Influencer, die sich begeistert zeigten. Im vergangenen Sommer gelang er als vermeintliches EM-Maskottchen mit einem falschen Kostüm beim Eröffnungsspiel in München auf den Rasen. Die Idee, sich ein Bundesverdienstkreuz zu eigen zu machen, sei „Teil einer Videoreihe“ gewesen, sagt Wildhage der F.A.Z. Er habe wissen wollen, „wie leicht man sich offizielle Auszeichnungen erschleichen kann“, also etwa den Echo oder den Deutschen Filmpreis. Auch an diese beiden Preise war er gelangt. Weil das Bundesverdienstkreuz „nun mal die höchste Auszeichnung in Deutschland ist, war das natürlich ‚die Königsklasse‘ in dieser Reihe“. „Der Hersteller war einfach sehr bemüht“ Wildhage beschreibt in seinem Video, wie er vorging: Unter einem fiktiven Namen gab er sich als Geschäftsführer einer fiktiven Agentur in Berlin aus, der den Nachlass von Peter Lustig verwalte. Der damalige Bundespräsident Horst Köhler hatte den Fernsehmoderator im Jahr 2007 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Externer Inhalt von Instagram Um externe Inhalte anzuzeigen, ist Ihre widerrufliche Zustimmung nötig. Dabei können personenbezogene Daten von Drittplattformen (ggf. USA) verarbeitet werden. Weitere Informationen . Externe Inhalte aktivieren Wildhage schrieb eine E-Mail an den Hersteller des Kreuzes und gab an, die Auszeichnung sei bei einem Einbruch in das Büro gestohlen worden. Der Hersteller teilte in seiner Antwort mit, der Preis für das Bundesverdienstkreuz liege bei 149 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer und Versandkosten. Man benötige noch die Verleihungsurkunde. Wildhage antwortete nicht und ließ nach eigenen Angaben zunächst von dem Vorhaben hab – eine Urkunde habe er nicht fälschen wollen. Aber etwa eine Woche später habe ihn eine zweite E-Mail erreicht: Für die Verleihung sei „auf jeden Fall ein Besitznachweis“ nötig, eventuell ein „Auszug aus der Zeitung“. „Ich denke mal, dass der Hersteller einfach sehr bemüht war, einen Ersatzorden auszustellen und einen guten Service zu bieten“, sagt Wildhage der F.A.Z. Also schickte er einen Artikel, der über die Verleihung berichtet hatte. Und erhielt wenige Tage später eine offizielle Auftragsbestätigung. Der Preis wurde ihm per Post zugeschickt. Er wisse gar nicht, was schlimmer sei, sagt der Youtuber im Video: dass man „nicht ansatzweise einen rechtmäßigen Nachweis sehen wollte, dass ich befugt bin, ein Bundesverdienstkreuz zu bekommen, oder dass das hier verschickt wurde, als hätte man bei Amazon irgendwas aus China bestellt“. Später im Video steckt er sich dann das Kreuz an. „Es fühlt sich so der­maßen falsch an“, sagt er. „Es fühlt sich so dermaßen falsch an“ Das sieht das Bundespräsidialamt ähnlich. Auf Anfrage der F.A.Z. teilt Cerstin Gammelin, Sprecherin von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, mit, man sei „in den Erwerb des Ordens durch Herrn Wildhage nicht involviert“ gewesen. Der Verdienst­orden dürfe Privatpersonen gegen Entgelt in der Regel nur durch Vorlage der Verleihungsurkunde überlassen werden. Man sei „mit dem Hersteller im Austausch zur Ursache des Fehlers bei der Überprüfung des Besitznachweises“. Außerdem seien Vorkehrungen getroffen worden, „um einen unberechtigten Erwerb unter Täuschung über die Berechtigung auszuschließen“. Der Hersteller habe dem Bundes­präsidial­amt zugesichert, „den durch Täuschung unberechtigt erlangten Orden von Herrn Wildhage zurückzufordern“. Das „unbefugte Tragen oder Überlassen“ von Orden könne eine Ordnungswidrigkeit darstellen. Der Hersteller teilt auf Anfrage der F.A.Z. mit, man werde „den Sachverhalt intern vollständig prüfen und rechtlich bewerten“. Derzeit sehe sich das Unternehmen „nicht in der Lage, eine Stellungnahme abzugeben“. Mehr zum Thema Der falsche Albärt Wie ein Youtuber die UEFA vorführt