„Aus Respekt für dich“ wollte Olaf Scholz 2021 Bundeskanzler werden. Die joviale Ansprache galt den Wählerinnen und Wählern, eine Mehrheit fühlte sich angesprochen. Und auch wenn das dieses Jahr anders war, will Scholz nun auch explizit respektvoll aus seinem Amt verabschiedet werden. „R-E-S-P-E-C-T“ werden Millionen von Zuschauern am 5. Mai also in ihren Gedanken mitsingen, wenn der Stabsmusikkorps den scheidenden Kanzler mit der passenden Melodie zeremoniell verabschiedet. Ob Scholz nun „Respect“ verlangt, oder er ihn zollen möchte, bleibt unklar. Näher liegt Ersteres, auch wenn Aretha Franklin, die den Song 1967 berühmt machte, nachdem Otis Redding ihn 1965 geschrieben und aufgenommen hatte, Respekt von einem Mann verlangte, der nach der Arbeit nach Hause zurückkehrte. Nur die Liebe zählt Es ist sicher dieser Song, der den Menschen vom kommenden Kanzlerabschied in Erinnerung bleiben wird, wie zuvor Nina Hagens „Du hast den Farbfilm vergessen“ bei Angela Merkel, oder Frank Sinatras „My Way“ bei Gerhard Schröder, die noch mal den Menschen aus den Politikern erklingen ließen, oder zumindest verlautbarten, wie diese sich selbst hörten. „Respect“ ist in jeder Hinsicht ein Plädoyer für Standhaftigkeit – Franklin sang den Song selbst dann noch, als der Krebs ihr schon fast die Stimme genommen hatte. Nahbar gibt sich Scholz auch mit der Wahl seines zweiten Titels: „In my Life“ von den Beatles. Auch dieser Song wurde 1965 geschrieben. Vermutlich hat der 1958 geborene Bald-Altkanzler die romantischen Zeilen über die Bedeutung von Menschen und Orten aus der Vergangenheit, die im Vergleich mit der großen Liebe verblasst, in seiner Jugend gehört – womöglich erfahren wir es bald in der obligatorischen Post-Kanzleramts-Autobiografie. Bislang ist Scholz Fragen nach seinen kulturellen Vorlieben stets erfolgreich ausgewichen, nur dass er „am meisten Jazz“ höre, ließ er in der Vergangenheit mal fallen. Die dritte Wahl gibt das größte Rätsel auf. Ein Auszug aus dem Zweiten Brandenburgischen Konzert von Johann Sebastian Bach soll gespielt werden, das fand der „Spiegel“ heraus und mutmaßt über eine Verbindung zu Scholz‘ Wahlkreis und Wohnort Potsdam. Vielleicht hat Scholz aber zudem auch gefallen, was der Komponist 1721 an den Markgrafen schrieb, der sich eine Komposition von ihm gewünscht hatte. In seiner Widmung bat ihn Bach „demütigst“, über die „Unvollkommenheit“ seines Werkes hinwegzusehen und stattdessen „den tiefen Respekt und den ehrerbietigen Gehorsam“, den er damit ausdrücken wolle, anzuerkennen. Vielleicht ist Olaf Scholz auf den letzten Metern ja doch noch zu Selbstkritik fähig? Musik in unseren Ohren.