„Ein Kind fehlt in Weilburg“, sagt Cornelia Stock, Pfarrerin der Evangelischen Gemeinde in der mittelhessischen Kleinstadt. Die Bänke der Schlosskirche am Marktplatz sind am Mittwochabend dicht gefüllt. Vor dem Altar steht ein großes Holzkreuz, das mit vielen kleinen Lichtern bestückt ist. Daneben ist ein großes Bild aufgestellt. Es zeigt den Jungen Pawlos, der gerade mal sechs Jahre alt wurde. Knapp vier Wochen lang galt er in Weilburg als vermisst. Zeitweise suchten Hunderte Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und ehrenamtlichen Hilfsorganisationen nach dem autistischen Kind, das am 25. März aus seiner Förderschule davongelaufen war. Am Ostersonntag konnten Einsatzkräfte nur noch seinen Leichnam aus der Lahn bergen. Wenige Tage zuvor wurde das Kind im Kreise der Familie und Bekannter beerdigt. Mit der Gedenkfeier am Mittwoch will die Stadt nun auch der Öffentlichkeit die Möglichkeit geben, von Pawlos Abschied zu nehmen. In der alten Barockkirche herrscht andächtiges Schweigen. Die Trauer ist deutlich zu spüren. „Heute sind wir hier, um noch einmal gemeinsam an Pawlos zu denken“, sagt Stock. Die Kirche ist voll. Hunderte sind gekommen. Angehörige des Jungen, alte Menschen, junge Familien mit Kindern, Vertreter aus Politik und Gesellschaft. Auch zahlreiche Einsatzkräfte, die an der intensiven Suche nach dem Jungen beteiligt waren, sitzen nun mit ihren Uniformen in den Reihen. „Dass dieses Kind gestorben ist, ist eine Katastrophe“, sagt Britta Höhler, Referentin der Evangelischen Gemeinde. „Und doch haben wir wenigstens Gewissheit. Das Suchen hat ein Ende und wir dürfen trauern.“ Neben den Rettungskräften beteiligten sich auch zahlreiche Freiwillige aus der Bevölkerung an der Suche. Viele von ihnen hätten Pawlos nicht gekannt, so Höhler. „Wir wussten nur, ein hilfloses Kind ist verloren gegangen.“ Pawlos sei sportlich und schnell gewesen, ein geschickter Kletterer mit einer Vorliebe für bunte Farben. „Leider liebt er auch das Wasser, alles was so schön glitzert.“ Grundlose Anschuldigungen „bringen auch kein Kind zurück“ Die beiden Frauen zünden eine bunte Kerze an und stellen sie vor Pawlos’ Bild auf. „Natürlich wurde auch in der Lahn gesucht“, sagt Pfarrerin Stock. Doch bei einem Fluss mit so unregelmäßigem Untergrund, stünden die Chancen schlecht, eine Person im Wasser zu finden. Das Wasser sei trüb, hinzu käme die Strömung. Der Obduktionsbericht der Rechtsmedizin ergab, dass der Junge schon kurz nach seinem Verschwinden in die Lahn geriet und ertrank. Die Stelle, an der ein Kanufahrer den Jungen fand, liegt sehr zentral in der Kleinstadt. Es sei nicht ordentlich gesucht worden, habe es in manchem Kommentar im Internet geheißen, sagt Höhler. Es handle sich um Äußerungen ohne Sachkenntnis. Sie verurteilten diejenigen, die geholfen hätten. Grundlose Anschuldigungen hülfen jedoch niemandem. „Es bringt auch kein Kind zurück“, sagt Höhler. Auch Limburger Bischof anwesend Auch der hessische Innenminister Roman Poseck (CDU), ist nach Weilburg gereist, um seine Anteilnahme auszusprechen und den Einsatzkräften zu danken. „Ein wunderbarer Junge ist gestorben“, sagt er. Pawlos hätte sein Leben noch vor sich gehabt, sein plötzlicher Tod habe viele Menschen in Hessen traurig gemacht. Familie und Angehörigen spricht er seine Anteilnahme aus. „Sie leiden unendlich große Schmerzen“, sagt er. Der Gedenkgottesdienst zeige jedoch, dass sie mit ihrer Trauer nicht alleine seien. Die große Solidarität nach Pawlos Verschwinden habe ihn beeindruckt. „Wir beklagen oft zurecht, dass unsere Gesellschaft auseinanderdriftet. In Weilburg haben die Menschen ein Zeichen in die andere Richtung gesetzt.“ Viele Menschen aus der Umgebung hätten sich nach der Suche beteiligt. Die Familie des Jungen stammt aus Eritrea. Dass sich auch viele andere Menschen mit eritreischen Wurzeln an der Suche beteiligten, sei ein Zeichen der Vielfalt und Verbundenheit, sagt Poseck. Auch der Limburger Bischof Georg Bätzing richtet seine Worte an die Trauernden. Kein Tag sei vergangen, an dem er nicht aufgewacht sei und gehofft habe, dass das Kind gefunden wurde. Bätzing verweist auch auf die seelische Belastung der Einsatzkräfte. Viele von ihnen hätten selbst Kinder und seien trotz aller Professionalität betroffen. Mehrere Minuten benötigt Weilburgs Bürgermeister Johannes Hanisch (CDU), um die vielen Hilfsorganisationen und Behörden aufzuzählen, die sich an der langen und intensiven Suche nach Pawlos beteiligten. „Wir alle begannen, den Jungen zu suchen. Schnell und viel“, sagt er. Am ersten Tag seien es schon 150 Einsatzkräfte gewesen, am darauffolgenden knapp 700. Noch bis spät in die Nacht hätten Bürger die Stadt mit Taschenlampen abgesucht. „Die Hoffnung und der Glaube, Pawlos zu finden hat uns alle geeint“, sagt Hansisch. „Lieber Pawlos, wir denken heute an dich, wir vermissen dich und wir werden dich nie vergessen.“